Schleswig-Holstein

Gemeinwohlprämie

Der DVL hat mit der „Gemeinwohlprämie“ (GWP) ein konkretes Bewertungs- und Honorierungskonzept für Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft vorgelegt und damit einen Vorschlag für einen systemischen Umbau der Agrarförderung in ein Zahlungssystem für öffentliche Leistungen unterbreitet.

Dieser Vorschlag ist in einem mehrjährigen Prozess mit über 200 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland, der Wissenschaft und den Agrarverwaltungen sehr praxisnah entwickelt worden. Das Konzept der GWP stellt nach den Ergebnissen dieses Projektes ein praxistaugliches, umwelteffizientes und administrierbares Umsetzungsmodell für die Ausgestaltung der Öko-Regeln dar.

Dabei handelt es sich um ein neuartiges Bewertungs- und Vergütungsverfahren für die Bereitstellung dieser öffentlichen Güter. Im Gegensatz zum aktuellen System, welches sich traditionell an den Kosten für Aufwand, den möglichen Transaktionskosten oder dem entgangenen Nutzen ausgeht, orientiert sich die GWP an den erwartbaren Effekten der angebotenen Katalog-Maßnahmen. Die Punktbewertung und das „Bonussystem für Maßnahmenvielfalt“ sind dabei zentrale Steuerungsgrößen. Sie gewährleisten eine Auswahl an qualifizierten Maßnahmen und Parametern, die durch weitere spezielle Vertragsnaturschutz- und AUKM-Angebote (Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen) aus dem Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)  zweckmäßig ergänzt werden können - oder aber in die GWP integriert werden müssten.  

Auch in Deutschland besteht wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Konsens darüber, dass die pauschalen Direktzahlungen nach dem Leitbild „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ schrittweise in Prämien für konkrete Gemeinwohlleistungen umgewandelt werden sollen. Zuletzt hat neben der aktuellen Regierungskoalition die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) einen systemischen Umbau der Agrarförderung gefordert und sich in diesem Zusammenhang auch für ein Auslaufen rein flächenbezogener und pauschaler, unqualifizierter Zahlungen hin zur ausschließlichen Honorierung von Klima-, Umwelt und Tierschutzleistungen der Landwirtschaft ausgesprochen. Mit der GWP liegt ein konkreter Vorschlag für diese Neukonzeption der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) vor.

Grundlage ist ein Punktwertverfahren für einzelbetriebliche Bewirtschaftungsmaßnahmen, durch die positive Effekte im Sinne des Biodiversitäts-, Klima- und/oder Wasserschutzes erzeugt und entsprechend bepunktet werden. Die Bewertung ist so konzipiert, dass die hierzu erforderlichen Angaben perspektivisch aus dem jährlichen Antrag für die Agrarförderung entnommen werden können und damit keinen zusätzlichen Aufwand verursachen. Die gesamtbetrieblich erbrachten Leistungen werden honoriert, indem die erzielten Punkte zusammengerechnet und multipliziert mit dem monetären Punktwert (€/Pkt.) vergütet werden.

Die Idee, ökologische Leistungen der Landwirtschaft mit „Ökopunkten“ zu bewerten und darauf aufbauend im Rahmen der EU-Agrarpolitik zu vergüten, ist nicht neu. Die Grundzüge der GWP-Bewertungsmethode beruhen auf einem Punktwertverfahren, das aufbauend auf bisherigen Bewertungsansätzen für die betriebliche Biodiversitätsberatung und -zertifizierung in Schleswig-Holstein bereits seit 2011/2012 entwickelt worden war. Die Punktbewertungen wurden durch Freilanderfassungen des Feldvogel-Indikators sowie des High Nature Value (HNV)-Farmland-Indikators (bisherige EU-Pflicht-Indikatoren) validiert. In einem Pilotprojekt mit 80 repräsentativen Praxisbetrieben hat sich das Bewertungsverfahren als praktikabel erwiesen. Im Jahr 2015 wurde die Bewertungsmethode in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Friedhelm Taube (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) um die Bereiche Klima- und Wasserschutzleistungen ergänzt und im Anschluss im Jahr 2016 nochmals durch Erhebungen auf Praxisbetrieben validiert.

Diese Vorarbeiten aus Schleswig-Holstein bilden die Grundlage für das Forschungs- und Entwicklungsprojekt, mit dem das Konzept der Gemeinwohlprämie im Zeitraum August 2017 bis Februar 2020 in mehreren Bundesländern auf seine bundesweite Anwendbarkeit getestet und im Lichte der gewonnenen Ergebnisse mit Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz und Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt weiterentwickelt wurde.

Das aktuelle Projekt läuft mit Unterstützung des Ministeriums für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur Schleswig-Holstein von 2022 bis 2025, greift die vorliegenden Empfehlungen aus der Praxis, der Wissenschaft, der Verwaltung und der Politik auf und hat die fachliche und konzeptionelle Weiterentwicklung des Bewertungs- und Honorierungskonzeptes für die Bereitstellung öffentlicher Güter durch die Landwirtschaft im Fokus.

Das generelle Ziel des DVL-Ansatzes bleibt es dabei weiterhin, auf möglichst breiter betrieblicher Ebene in der Landwirtschaft zu einer Verbesserung der Umwelt- und Klimasituation zu gelangen und dieses mit einem tragfähigen Einkommen durch eine „Gemeinwohlprämie“ wirksam zu verknüpfen.

Seit Veröffentlichung der Projektergebnisse 2020 haben sich neben der EU-Kommission verschiedene wissenschaftliche und politische Gremien in Deutschland, wie die Agrar-Ministerkonferenz mit der Gemeinwohlprämie auseinandergesetzt und diesen Ansatz zur Ausgestaltung der Öko-Regelungen grundsätzlich für ausgereift und geeignet gehalten, mehrheitlich sogar auch als Regelansatz für die zukünftige Agrarförderung. [Übersicht] Es wurden zugleich mehrere Empfehlungen zur Weiterentwicklung und Qualifizierung des Konzeptes unterbreitet, die vom DVL in demaktuellen Projekt auch aufgegriffen werden. Die endgültigen Ergebnisse und Empfehlungen der Expertinnen und Experten sollen Mitte 2025 vorliegen.

Zusammenfassend empfiehlt der DVL daher weiterhin, die Gemeinwohlprämie im Rahmen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik in Deutschland einzuführen. Dass dieses auch heute schon praktisch möglich ist, zeigen unter anderem die Niederlande und Ungarn, wo ein Punktesystem zur Honorierung der Öko-Regelungen bereits eingeführt worden ist.  

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